Osteuropäische Subunternehmer auf deutschen Baustellen. Eine Marktanalyse
Das deutsche Handwerk steht vor großen Herausforderungen. Nach einer schwachen Baukonjunktur in den Jahren 2022 und 2023 ziehen die Auftragseingänge im Bauhauptgewerbe 2024/25 wieder leicht an. Diese Trendwende hat den ohnehin angespannten Fachkräftemangel weiter verschärft. Viele Handwerksbetriebe arbeiten an ihrer Kapazitätsgrenze: Sie kämpfen mit Überlastung, steigenden Lohn- und Materialkosten sowie massiven Schwierigkeiten, qualifiziertes Personal zu finden. In diesem Umfeld gewinnen osteuropäische Subunternehmer zunehmend an Bedeutung. Sie schließen personelle und fachliche Lücken, die der heimische Markt auf absehbare Zeit nicht mehr kompensieren kann. Aber warum ist das so, und was zeichnet sie aus?
Herausforderungen für das deutsche Handwerk
Der Mangel an qualifizierten Fachkräften im deutschen Baugewerbe ist ein weitverbreitetes Problem. Im Jahresdurchschnitt 2024 gab es etwa 220.000 offene Stellen im Handwerk, von denen rund 108.000 nicht besetzt werden konnten, weil es an geeigneten Bewerbern mangelte (KOFA-Kompakt 3/2025). Die IG Bau spricht sogar von einem langfristigen Bedarf an jährlich 300.000 Fachkräften, um den wachsenden Herausforderungen begegnen zu können.
Nach einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) sind Bauelektriker (rund 18.300 fehlende Fachkräfte), Kfz-Techniker (rund 16.300) und Sanitär, Heizungs- und Klimatechniker (rund 12.200 –13.700) besonders betroffen.
❯❯ Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH)
schätzt den volkswirtschaftlichen Schaden auf bis zu 74 Milliarden Euro bis 2027 –
verursacht durch Verzögerungen, Auftragseinbußen und steigende Lohnkosten. ❮❮
Frankfurter Rundschau, 28. Februar 2025
Viele Handwerksbetriebe sind überlastet und können Aufträge nicht mehr zeitnah bearbeiten. Zwar bestätigt die Studie des IW, dass die Zahl der neuen Ausbildungsverträge in den Mangelberufen langsam ansteigt, doch der Bedarf der Unternehmen wächst schneller. „Die Lücke wird deshalb von Jahr zu Jahr größer“, erklärt Studienautorin Lydia Malin.
Die Ausbildungszahlen reichen bei Weitem nicht aus, um den Bedarf zu decken. Zudem gefährden steigende Materialkosten und die anhaltende Inflation die Rentabilität von Bauprojekten. Der angespannte Finanzmarkt und die unsichere Entwicklung zukünftiger Umweltvorschriften tun ein übriges dazu. Diese Faktoren erschweren es vielen heimischen Betrieben, im Wettbewerb zu bestehen.
Gründe für den Einsatz europäischer Subunternehmer
Angesichts des Fachkräftemangels gewinnt die Integration ausländischer Arbeitskräfte immer mehr an Bedeutung. Trotz bestehender Fachkräfte-Einwanderungsgesetze gibt es in der Praxis aber immer noch Hindernisse, wie Probleme bei der Visa-Erteilung, Ausstellung von Arbeitserlaubnissen und bürokratische Hürden in den Ausländerbehörden, die den Prozess erschweren.
Daher liegt es nahe, auf etablierte Handwerksbetriebe aus Osteuropa zu setzen. Dank der Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der EU sind die rechtlichen und logistischen Hürden zur Beschäftigung osteuropäischer Subunternehmer deutlich geringer als bei außereuropäischen Drittstaaten. Selbst die Bundesagentur für Arbeit stellte schon 2022 fest, dass für deutsche Unternehmen die gewonnene Flexibilität durch den Einsatz externer Subunternehmer von Vorteil ist.
❯❯ Die Beschäftigung externer Subunternehmer erlaubt es Unternehmen,
kurzfristig auf Auftragsschwankungen zu reagieren,
ohne dauerhaft neue Mitarbeiter einstellen zu müssen. ❮❮
Bundesagentur für Arbeit, 2022
Osteuropäische Subunternehmer werden oft als mögliche Lösung für die genannten Probleme gesehen. Dies liegt an mehreren Faktoren:
Das attraktive Preis-Leistungs-Verhältnis
Osteuropäische Subunternehmer arbeiten oft deutlich günstiger – ein klarer Kostenvorteil für Unternehmen aus Hochlohnländern. Dies ist vor allem auf niedrigere Lohnkosten und Durchschnittseinkommen in ihren Herkunftsländern zurückzuführen. In Ländern wie Polen oder der Slowakei liegen die Löhne zum Teil mehr als 50 % unter dem westlichen Durchschnitt (Eurostat Lohnkostenbericht, 2023). Das schafft Spielraum für wettbewerbsfähige Angebote.
Es ist jedoch wichtig, hier differenziert zu betrachten und nicht pauschal von „billiger Arbeit“ zu sprechen. Oftmals bringen die Subunternehmer eine hohe Effizienz, praktische Erfahrung und Arbeitsmoral mit. Und der Nettolohn eines hochspezialisierten Facharbeiters unterscheidet sich im europäischen Vergleich nur geringfügig.
Die unkomplizierte und schnelle Verfügbarkeit
Trotz der allgemein schwachen Baukonjunktur ist das lokale Handwerk im deutschsprachigen Raum weiterhin stark ausgelastet. Laut dem ifo Institut lag die Auslastung in Bauunternehmen 2024 bei etwa 90 bis 95 Prozent (ifo Institut, Bauwirtschaft 2024). Dieser Wert liegt zwar leicht unter dem Vor-Corona-Niveau (teils über 95 %), signalisiert aber weiterhin, dass heimische Betriebe kaum freie Kapazitäten für zusätzliche Aufträge oder kurzfristige Projekte haben.
Um ihre Umsatzziele trotzdem zu erreichen, setzen Baufirmen verstärkt auf Subunternehmer. Osteuropäische Fachkräfte sind häufig bereit, projektbezogen und kurzfristig im Ausland zu arbeiten. Durch ihre höhere Mobilität sind Subunternehmer aus Polen, der Slowakei oder Tschechien oft schneller verfügbar. Sie verfügen meist über Strukturen (z. B. Montagekolonnen, eigene Fahrzeuge, selbst organisierte Unterkünfte), die kurzfristige Einsätze in Westeuropa erleichtern. Gerade bei saisonalen oder witterungsabhängigen Projekten wie Dachdecken, Straßenbau oder Innenausbau tragen osteuropäische Teams dazu bei, kritische Fristen einzuhalten.
Die Spezialisierung auf gefragte Gewerke
Nischenmärkte bieten Subunternehmern aus Osteuropa die Möglichkeit, qualitativ hochwertige Leistungen in wettbewerbsarmen Bereichen anzubieten, wo es wenig Konkurrenz durch lokale Betriebe gibt. Deutsche Handwerksbetriebe fokussieren sich häufig auf Komplettlösungen oder lukrative Großprojekte. Kleinere, arbeitsintensive Nischen bleiben oft liegen und werden gezielt von spezialisierten Subunternehmen besetzt.
Einige Länder wie Polen oder Tschechien haben sich durch gut entwickelte Berufsschulsysteme und Spezialisierungen in bestimmten Handwerken einen guten Ruf erarbeitet.
❯❯ Polnische Subunternehmer sind besonders häufig in den Bereichen
Trockenbau, Putz- und Fassadenarbeiten sowie beim industriellen Hallenbau aktiv.
Hier besteht eine klare Spezialisierung. ❮❮
BauInfoConsult Branchenmonitor, 2022
In Polen wurden 2021 mehr als 18.000 Fachkräfte im Bereich Ausbauhandwerk ausgebildet – im Vergleich zu etwa 4.200 Fachkräften in Deutschland (Eurostat, Berufsausbildung). Die breite Ausbildung ermöglicht osteuropäischen Subunternehmern, gezielt Projekte zu besetzen, in denen Qualifikation, Erfahrung und Arbeitsintensität gefragt sind – und in denen heimische Handwerker oft fehlen. Diese Spezialisierung macht sie in bestimmten Bereichen unverzichtbar, z. B. bei Verputz-, Dämm-, Trockenbau- oder Fliesenarbeiten.
Qualität – von exzellent bis problematisch
Die Leistungsqualität osteuropäischer Subunternehmer ist jedoch unterschiedlich. Während die meisten Unternehmen professionell und qualitativ hochwertig arbeiten, gibt es Fälle mangelhafter Ausführung, fehlendem Qualitätsbewusstsein oder fehlender Gewährleistung. Eine formale Qualifikation garantiert nicht automatisch Qualität. D@iesbezüglich zeigen sich keine grundsätzlichen Unterschiede zu heimischen Anbietern.
❯❯ Die Qualität von ausländischen Subunternehmern ist nicht pauschal zu bewerten.
Es gibt exzellente Fachfirmen mit langjähriger Erfahrung, aber auch
schwarze Schafe, die mit Dumpingpreisen und minderwertiger Ausführung arbeiten. ❮❮
Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB), Stellungnahme 2023
Unter den Subunternehmern finden sich sowohl sehr zuverlässige und engagierte Partner als auch Anbieter, die minderwertige Arbeit liefern. Die sorgfältige Auswahl des richtigen Partners ist daher entscheidend. Um nicht auf unnötigen Folgekosten sitzen zu bleiben, ist es wichtig auf Referenzen, Zertifizierungen und Versicherungen zu achten. Es gibt Fälle, bei denen der Bauherr für Schäden oder Nachbesserungen aufkommen musste, weil keine gültige Haftpflichtversicherung des Subunternehmers vorlag – insbesondere bei preisgetriebenen Anbietern mit fragwürdiger Qualifikation, die keine Gewerbeanmeldung oder keine EU-konforme Entsendepapiere vorweisen konnten.
Auch wenn Sprachbarrieren eine Herausforderung darstellen können, sind perfekte Deutschkenntnisse in der Praxis weniger entscheidend. Im Gegensatz zu planerischen oder sicherheitskritischen Gewerken ist gerade in stark arbeitsteiligen, standardisierten Gewerken mit klaren Prozessketten (z. B. Trockenbau, Fassadenarbeiten) die Sprachkompetenz oft zweitrangig – wichtig sind Schnelligkeit, Erfahrung und Teamkoordination (ifo Institut, Kurzstudie zum Fachkräfteeinsatz, 2022).
Subunternehmer als Teil der Lösung – nicht als Ersatz
Osteuropäische Subunternehmer können Engpässe im Bauwesen flexibel, schnell und spezialisiert überbrücken. Sie sind in vielen Gewerken unverzichtbar – insbesondere dort, wo es an lokaler Fachkompetenz mangelt. Doch sie sind kein Ersatz für eine nachhaltige Fachkräftesicherung in Deutschland.
Damit Bauwesen und Handwerk langfristig wettbewerbsfähig bleiben, braucht es Investitionen in Ausbildung, Digitalisierung, Planungssicherheit und faire Rahmenbedingungen – für Betriebe, Fachkräfte und Auftraggeber gleichermaßen.
Solange grundlegende Strukturreformen fehlen, bleibt der gezielte Einsatz osteuropäischer Subunternehmen ein pragmatischer Weg, um Projekte abzusichern und wirtschaftlich tragfähig umzusetzen. In einem globalisierten Arbeitsmarkt ist diese europäische Zusammenarbeit nicht nur eine Übergangslösung, sondern eine strategische Perspektive – als Bestandteil eines modernen Personalmanagements und als Chance für das Handwerk und die Zukunft des Bauens.